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Endlich individuelle Grundsteuerbewertung!

Entscheidungen des BFH und Neuerungen durch Ländererlasse

Ein BFH-Beschluss zur Grundsteuerwertfeststellung liegt vor: In zwei Verfahren wird dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben und eine individuelle Betrachtung der Grundsteuerbewertung eingeräumt.  Auf diese Entscheidungen hat die Finanzverwaltung durch die Veröffentlichung von koordinierten Ländererlassen reagiert.

1. Erste Entscheidungen des BFH zur Grundsteuerbewertung

Der BFH-Beschluss vom 27. Mai 2024 zu den Aktenzeichen II B 78/23 und II B 79/23 eröffnet endlich den Weg zu einer individuellen Berechnung von Grundsteuerwerten im Bundesmodell. In zwei unterschiedlichen Sachverhalten stellten die Eigentümer eines Grundstücks – bebaut mit einem Einfamilienhaus – einen Antrag auf die Aussetzung der Vollziehung von Bescheiden zum Grundsteuerwert. Beide waren der Ansicht, der vom Finanzamt festgestellte Grundsteuerwert sei im Vergleich zu den tatsächlichen Gegebenheiten der Grundstücke zu hoch. Damit liegt ein lang ersehnter erster Beschluss zur Grundsteuerbewertung vor.  

Allgemein ist die Aussetzung der Vollziehung von Bescheiden möglich, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte. Als Bewertungsgrundlage im Bundesmodell dient der gemeine Wert eines Grundstücks, welcher aus dem kapitalisierten Reinertrag nach §§ 253, 254 BewG sowie dem abgezinsten Bodenwert nach §§ 247, 257 BewG berechnet wird. Dass zwischen dieser typisierten, pauschalisierten Berechnungsmethode und dem tatsächlichen gemeinen Wert auch Unterschiede bestehen können, sei bei standardisierten Berechnungen grundsätzlich hinzunehmen.   

Die Methode im Bundesmodell kann zu einer Verletzung des Übermaßverbotes führen. Um die Verfassungsmäßigkeit von typisierenden Regelungen sicherzustellen, hat der BFH in der Vergangenheit entweder eine verfassungskonforme Auslegung von Regelungen im Einzelfall oder die Möglichkeit einer Billigkeitsmaßnahme gefordert. Zur Aussetzung der Vollziehung von Grundsteuerbescheiden kommt keine Billigkeitsmaßnahme in Betracht, sodass es auf die Auslegung der Bewertungsnormen ankommt.

Folglich gewährt der BFH die Möglichkeit, einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nachzuweisen, auch wenn die Option eines Nachweises nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Übersteigt der festgestellte Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um 40 % oder mehr, so stellt dies ein starkes Indiz für eine Verletzung des Übermaßverbotes dar.

Der Beschluss des BFH öffnet explizit die Türen für eine Einzelfallbetrachtung von Bodenwert und Gebäuden, indem die verfassungskonforme Auslegung der Normen eingefordert wird. Sofern die tatsächlichen Gegebenheiten bzw. der gemeine Wert des Grundstücks stark von dem durch die pauschalen Ansätze ermittelten Grundsteuerwert abweicht, haben Grundstückseigentümer nunmehr die Möglichkeit konkrete Nachweise zu erbringen und gegen die Bescheide Einspruch einzulegen und die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen.

2. Veröffentlichung von koordinierten Ländererlassen

Die obersten Finanzbehörden haben auf den Beschluss des BFH reagiert und koordinierte Ländererlasse vom 24.06.2024 veröffentlicht.

Auch die koordinierten Ländererlasse erlauben den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts, wenn der Grundsteuerwert den gemeinen Wert zum Hauptfeststellungszeitpunkt um mindestens 40 % übersteigt. Die Nachweispflicht liegt dabei beim Steuerpflichtigen. Die Nachweise können über Gutachten von zuständigen Gutachterausschüssen oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert wurden, dargelegt werden, analog zur Anwendung von § 198 Abs. 2 BewG.

Alternativ kann, analog zur Anwendung des § 198 Abs. 3 BewG, ein niedrigerer gemeiner Wert auch über einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt zustande gekommenen Kaufpreis nachgewiesen werden.

Da die Regelungen für alle offenen Fälle anwendbar sind, ist bei noch nicht bestandskräftigen Grundsteuerwertbescheiden zu prüfen, ob ein niedrigerer gemeiner Wert für eine wirtschaftliche Einheit vorliegt. Sofern dies zutrifft, empfiehlt es sich, die entsprechenden Nachweise zu prüfen und die Herabsetzung des Grundsteuerwerts beim zuständigen Finanzamt zu beantragen.

Sofern die Grundsteuerwertbescheide bereits bestandskräftig sind, es jedoch Nachweise über einen niedrigeren gemeinen Wert gibt, ist zu prüfen, ob eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung vorgenommen werden kann.

Sollten Sie Fragen zur individuelle Grundsteuerbewertung haben oder Unterstützung benötigen, dann kommen Sie gerne auf uns zu. Jetzt Kontakt aufnehmen.