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Innenumsätze in der umsatzsteuerlichen Organschaft bleiben nicht steuerbar

EuGH schafft endlich Rechtsklarheit

Innenumsätze innerhalb einer umsatzsteuerlichen Organschaft unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Der EuGH zieht mit heutigem Urteil einen Schlussstrich unter eine mehrjährige Odyssee durch die finanzgerichtlichen Instanzen.

Damit endet das „Pingpongspiel“ zwischen dem BFH und dem EuGH hinsichtlich der Unionsrechtskonformität der deutschen Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft.

Mit Urteil vom 11.07.2024 unter dem Aktenzeichen C184/23 entschied der EuGH, dass die Innenumsätze zwischen den Mitgliedern einer umsatzsteuerlichen Organschaft auch weiterhin nicht dem Anwendungsbereich der MwStSysRL bzw. des UStG unterliegen. Wie erwartet, folgte der EuGH vollumfänglich dem Schlussantrag von Generalanwalt Rantos vom 16.05.2024. Die Vorlagefrage des BFH wurde abgewiesen und die Nichtsteuerbarkeit der Innenumsätze höchstrichterlich bestätigt.

Nach Ansicht des EuGH hat die wirtschaftliche Selbständigkeit für die steuerrechtliche Zuordnung eines Unternehmens zu einer umsatzsteuerlichen Organschaft keine Relevanz, die Organgesellschaft ist aus steuerlicher Sicht kein Steuerpflichtiger. Zu den Ausführungen des BFH im Hinblick auf potentielle Steuerverluste bei Divergenz zwischen Umsatzsteuer und Vorsteuer geht der EuGH nicht groß ein und verneint diese. Selbst wenn ein solcher Fall bestehe und eine Leistung zu versteuern wäre, beim Leistungsempfänger aber kein Vorsteuerabzug bestehe, liege hierin kein Grund, die Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen zu verneinen.

Auch das durch den BFH vorgetragene Argument, dass Organgesellschaften unabhängig von der Zugehörigkeit zu der Mehrwertsteuergruppe selbstständig im Sinne der Richtlinie tätig seien, lehnt der EuGH ab. Demnach habe die gesetzgeberisch gewollte Behandlung als ein einziger Steuerpflichtiger (=Mehrwertsteuergruppe) Vorrang vor einer selbstständigen Tätigkeit.

Gerade für umsatzsteuerliche Organschaften im gemeinnützigen Bereich ist dieses Urteil sehr zu begrüßen, da häufig steuerfreie Ausgangsleistungen einen Vorsteuerabzug versagen.

Somit wäre die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer ein erheblicher Kostenfaktor, wäre der EuGH dem BFH gefolgt. Da der EuGH jedoch vollumfänglich dem sehr gut begründeten Schlussantrag folgt, bleiben Innenleistungen nicht steuerbar.

Nachfolgend haben wir Ihnen den komplexen und durchaus ungewöhnlichen Verfahrensgang zusammengefasst:

Der beschwerliche Weg begann bereits am 11.12.2019, als der BFH beschloss, etwaige rechtliche Zweifel an den deutschen Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft durch den EuGH klären zu lassen. In dieser ersten Vorlage ging es hauptsächlich um die Frage, ob die deutsche Regelung mit dem Organträger als einzigen Steuerpflichtigen und den Organgesellschaften als unselbständig eingebundene Mitglieder der Organschaft mit Europarecht vereinbar war. Der EuGH bejahte diese Frage im Rahmen seiner Entscheidung vom 01.12.2022, Az. C 141/20, bemängelte aber die zu restriktive Regelung hinsichtlich der finanziellen Eingliederung und die Typisierung der Organgesellschaften als unselbständig.

Darüber hinaus war zu klären, ob Dienstleistungen von Organgesellschaften, welche an einen hoheitlichen Bereich der Organträgerin erbracht wurden, als unentgeltliche Wertabgabe gem. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG der Umsatzsteuer zu unterwerfen waren. Diese Frage wurde vom EuGH in einem Parallelverfahren, welches auf einen anderen Vorlagebeschluss des BFH zurückging, mit Urteil vom 01.12.2022, Az. 269/20, verneint.

Aus einem obiter dictum des EuGH, dass im entschiedenen Fall keine unentgeltliche Wertabgabe vorliegen könne, da ein Entgelt gezahlt wurde, folgerte der BFH, dass durchaus eine Steuerbarkeit von Innenumsätzen innerhalb einer umsatzsteuerlichen Organschaft gegeben sein kann, Tz. 27 des Vorlagebeschlusses vom 26.01.2023, Az. V R 20/22. Zur weiteren Begründung für diese Annahme verwies der BFH zudem auf die Ausführungen des EuGH im Hinblick auf die unrechtmäßige Typisierung der Organgesellschaften als unselbständig, entsprechend UStAE Abschnitt 2.8. Abs. 1 S. 6.

Zusätzlich erkannte der BFH die Gefahr von Steuerverlusten, sofern der Leistungsempfänger nicht oder nur zum Teil zum Vorsteuerabzug berechtig wäre, Tz. 31ff des Vorlagebeschlusses vom 26.01.2023.

In seinem Schlussantrag vom 16.05.2024 verneint Generalanwalt Rantos diese Rechtsfragen. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Selbständigkeit wurde ausführlich dargestellt, dass diese nicht gleichzusetzen ist mit der steuerlichen Selbständigkeit. Das ergäbe sich bereits aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH, welche im Schlussantrag zitiert wurde, siehe dazu Tz. 71f. des Schlussantrages vom 16.05.2024.

Hinsichtlich der Ausführungen des BFH betreffend potentielle Steuerverluste verweist der Generalanwalt auf die Organisationsneutralität für Unternehmen. Die Gefahr von Steuerverlusten wäre z. B. dadurch zu verneinen, dass das nicht vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen entsprechende Tätigkeiten nicht auslagert.

Der EuGH ist dem Schlussantrag vom 16.05.2024 nun mit Urteil vom 11.07.2024 gefolgt.

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