Neuigkeiten

Haftung der Geschäftsführung

Risiken und Risikomanagement

Nur wenige Monate vor Beginn der diesjährigen Fußball-Europameisterschaft in Deutschland begann im März 2024 vor dem Landgericht Frankfurt am Main der Auftakt im sogenannten „Sommermärchen-Prozess“, in dem sich alle drei angeklagten Ex-DFBFunktionäre dem Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung zu erwehren haben.

Anlass dieses Verfahrens ist eine im April 2005 an den Weltverband FIFA getätigte Zahlung von 6,7 Millionen Euro, mit der ein Privatdarlehen von Franz Beckenbauer bei dem französischen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus aus dem Jahr 2002 getilgt worden war. Diese Zahlung soll in der Steuererklärung 2006 unzulässigerweise als Betriebsausgabe geltend gemacht worden sein. Dem DFB war deshalb rückwirkend für das betreffende Jahr die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Der Verband musste 2017 rund 22,5 Millionen Euro an Steuern nachzahlen. Für die seinerzeit in Verantwortung für den DFB handelnden Akteure geht es in dem gerichtlichen Steuerstrafverfahren nun in die persönliche Nachspielzeit mit noch offenem Ausgang – das Verfahren vor dem Landgericht ist bis dato noch nicht abgeschlossen.
Nicht alle Verfahren, in denen ein konkretes Verhalten von Vertreter:innen steuerbegünstigter Einrichtungen auf den Prüfstand kommt, werden freilich von den Medien und der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt und erlangen vergleichbar große Bekanntheit und Aufmerksamkeit. Gleichwohl handelt es sich auch längst nicht (mehr) um einen Einzelfall, wenn die Geschäftsführung einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) für ihr Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen wird. Darüber hinaus zeigt der Fall des DFB beispielhaft die Tragweite solchen Fehlverhaltens für die Organisation sowie für die handelnden Personen auf. Allein der anerkannte Status der Steuerbegünstigung einer Einrichtung schützt weder diese noch ihre in Verantwortung handelnden Personen vor haftungsrechtlichen Konsequenzen – selbstverständlich nicht, möchte man hinzufügen.

Allgemeine Sorgfaltspflicht

Haftung vermeiden setzt zum einen Kenntnis des Pflichtenkreises voraus und verlangt zum anderen, dass die Geschäftsführung ihre Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleute ausführt. Dies bedeutet, dass sie alle Entscheidungen im besten Interesse der Gesellschaft trifft und dabei die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben einhält. Hiervon umfasst sind auch interne Regelungen, beispielsweise im Rahmen einer Geschäftsordnung, und Weisungen der Gesellschafterversammlung. Von einer Verletzung dieser allgemeinen Sorgfaltspflicht kann etwa ausgegangen werden, wenn die Geschäftsführung riskante Investitionen tätigt, die nicht im Interesse der gGmbH sind und dadurch finanzielle Verluste verursacht werden.

Einhaltung der Gemeinnützigkeitsvorgaben

Zu den spezifischen Pflichten der Geschäftsführung einer gGmbH zählt insbesondere die Einhaltung der Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts. Die Geschäftsführung muss sicherstellen, dass die gGmbH ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Dies umfasst die Einhaltung der Satzungszwecke und die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel für gemeinnützige Zwecke. Verwendet die Geschäftsführung vorsätzlich oder fahrlässig die Mittel der gGmbH für nicht gemeinnützige Zwecke, was die Aberkennung des steuerlichen Status der Gemeinnützigkeit zur Folge hat, kann dies zu erheblichen steuerlichen Nachzahlungen führen, wie im Fall des DFB zu sehen war. Die Mitglieder der Geschäftsführung können in diesem Fall für die entstandenen Steuerschulden persönlich haftbar gemacht werden.

Steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Pflichten

Darüber hinaus gilt es für die Geschäftsführung, auch alle weiteren einschlägigen steuer- und sozialabgaberechtlichen Pflichten einzuhalten. Im regelmäßigen Tagesbetrieb einer gGmbH ergeben sich diese Pflichten insbesondere aus der ordnungsgemäßen Deklaration und Abführung von Lohnsteuer und Umsatzsteuer. Führt die Geschäftsführung diese Steuern nicht (korrekt) ab, kann dies für ihre Mitglieder persönlich sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Dies gilt auch für die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, was als besonders schwerwiegende Pflichtverletzung angesehen wird.

Insolvenzverschleppung

Ein häufiges Haftungsrisiko besteht in der Verletzung der Insolvenzantragspflicht. Sobald die gGmbH zahlungsunfähig oder überschuldet ist, muss die Geschäftsführung unverzüglich, spätestens aber innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung, einen Insolvenzantrag stellen. Unterlässt sie dies, haften die Mitglieder der Geschäftsführung persönlich für die daraus entstehenden Schäden.

Datenschutz und Hinweisgeberschutz-System

Der Pflichtenkatalog der Geschäftsführung ist nicht starr, sondern kann entsprechend der Dynamik insbesondere des Gesetzgebers verändert und, im Regelfall, erweitert werden. Ein Beispiel hierfür ist die zum 25. Mai 2018 in Kraft getretene EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese stellt datenschutzrechtliche Pflichten auf, wie etwa für die Verarbeitung personenbezogener Daten und für die Benennung eines Datenschutzbeauftragten unter bestimmten Voraussetzungen. Mit Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes zum 2. Juli 2023 ist zudem die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle für Arbeitgeber mit 50 und mehr Beschäftigten hinzugekommen. Verstöße gegen die vorgenannten Pflichten sind bußgeldbewehrt.

Haftungserleichterungen und -vermeidung

Es ist der Kürze dieser Abhandlung geschuldet, dass hier nur einige der in der Praxis haftungsträchtigen Pflichten der Geschäftsführung skizziert werden können. Der summarische Überblick zeigt jedoch allein im Hinblick auf das rechtliche Regelwerk eine hohe und weiter zunehmende Komplexität auf. Neben dem allgemeinen Regelwerk kann zusätzlich auch die interne Struktur und Organisation der steuerbegünstigten GmbH zu einer Erhöhung der Komplexität beitragen, wenn die steuerbegünstigte GmbH etwa aus sich heraus und/oder beispielsweise durch Zusammenschlüsse und Kooperationen mit anderen Organisationen wächst. Dabei erweitert sich auch der Verantwortungsbereich der Geschäftsführung.

Compliance-Management-System

Die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gehört zu den Organisations- und Sorgfaltspflichten der Geschäftsführung. Damit bereits ein Pflichtenverstoß und in der Folge eine mögliche Haftung verhindert werden, kann es nur im Interesse der Geschäftsführung sein, dass das Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass Gesetzesverstöße vermieden werden. Hierzu haben auch bei steuerbegünstigten Körperschaften der Begriff der Compliance und die Einrichtung eines Compliance-Management-Systems zunehmend an Bedeutung gewonnen. Compliance meint in diesem Zusammenhang, dass die Geschäftsführung zum Zwecke der Befolgung von Regeln und Einhaltung von (gesetzlichen) Ge- und Verboten im Unternehmen eine aktive und organisatorisch-systematische Vorsorge trifft. Diese besteht insbesondere darin, Regelungen zu internen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten festzulegen, Prozessabläufe zu definieren sowie Verhaltenspflichten und (interne) Sanktionsmöglichkeiten aufzustellen.
Einem angemessenen und wirksamen Compliance-Management-System kommt aus Sicht des Unternehmens zum einen präventive Wirkung zu, da es hilft, das Risiko von Rechtsverstößen rechtzeitig zu erkennen, zu verhindern oder jedenfalls wesentlich zu erschweren. Zum anderen kann ein Compliance-Management-System im Falle eines eingetretenen Compliance-Regelverstoßes auch eine bußgeldmindernde Wirkung entfalten. Führt man sich an dieser Stelle erneut den eingangs geschilderten Sachverhalt vor Augen, der dem DFB die zeitweilige Aberkennung der Gemeinnützigkeit sowie die Steuerrückzahlung bescherte, wird in eindrucksvoller Weise dokumentiert, dass Compliance seinerzeit offenbar keine Beachtung geschenkt worden ist.

Business Judgement Rule

In den Kontext der Haftungserleichterungen bzw. vermeidungen gehört auch die sog. Business Judgement Rule. Dieses Haftungsprivileg bietet der Geschäftsführung einen gewissen Ermessensspielraum bei ihren Entscheidungen, solange sie nach bestem Wissen und Gewissen im Interesse der Gesellschaft handelt. Danach begeht ein Geschäftsführer keine Pflichtverletzung, wenn er bei objektiver Beurteilung davon ausgehen durfte, eine konkrete unternehmerische Entscheidung aufgrund angemessener Information zum Wohl der GmbH zu treffen. Unter diesen Umständen kann die Business Judgement Rule die Geschäftsführung von einer Haftung befreien.

D&O-Versicherung

Kommt es zu einem Haftungsfall, kann eine Directors-and-Officers-Versicherung (D&O-Versicherung) zumindest das persönliche Haftungsrisiko der Mitglieder der Geschäftsführung abdecken und ist besonders bei größeren gemeinnützigen Organisationen empfehlenswert. 

FAZIT

Die Geschäftsführung einer gGmbH hat eine Vielzahl von Pflichten in einem stetig komplexer werdenden rechtlichen Umfeld zu beachten, deren Verletzung zu erheblichen Haftungsrisiken führen kann. Eine sorgfältige und ordnungsgemäße Geschäftsführung sowie geeignete Maßnahmen zur Haftungsprävention sind daher unerlässlich.

Unsere Mandantenzeitschrift Curacontact bietet Ihnen quartalsweise Fachbeiträge zu spannenden und aktuellen Themen aus Ihrer Branche. Sie möchten die Curacontact abonnieren und kostenlos per Post erhalten? Jetzt abonnieren!